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Untergrund mit Hintergrund

Mein Garten liegt mitten in einer Siedlung. Ein Wohnhaus samt Geräteschuppen und Garage riegeln ihn zur Straße hin ab, ansonsten umrahmen ihn behütend Hecken, Sträucher und Gestrüpp. Diesem Ensemble zu Füßen liegen Staudenbeete, kleine Rasenflächen und eine beschauliche Obstwiese, die wiederum den Gemüsegarten samt Kompostplatz umringen…

 

 

Der mitreißende Farbenrausch der Blütenpracht, anmutige, hier und da aufsteigende Düfte, die Vielfalt der Blattformen sind auch Abbild einer im Hintergrund behutsam lenkenden menschlichen Hand. Letztlich ist es aber die Blühstaude selbst, die diese Möglichkeiten bereithält. Im Vorjahr lagerte die Pflanze in ihren Wurzeln (Knollen oder Zwiebeln) organische Subtanzen ein, die zunächst als Spross und weiter als Stengel und erste Laubblätter ihren Weg vom Unterirdischen in das Oberirdische fanden – es stellt sich der Eindruck ein, als sei ohne Vergangenheit keine Gegenwart und ohne Gegenwart keine Zukunft (oberirdische Samenbildung und neuerliche unterirdische Substanzspeicherung) möglich…

 

 

Und der Mensch? Hat auch er ein Reservoir, aus dem er schöpft, dessen Inhalte sich im Garten, in seiner Ausgestaltung (konzeptionelle Anlage) und Pflege niederschlägt? Der Anschein spricht dafür; werden Gärten doch immer wieder als „Paradies“ erlebt. Eine weitere Wahrnehmung wäre gegenwartsbezogener, nämlich sein „postparadiesisches“ Dasein anzunehmen und Garten als eine Entflechtung von „Dorn und Stechstrauch“ zu erleben – Stechsträucher fügen sich zu einer beschützenden Hecke zusammen, „Unkräuter“ wandeln sich zu erbauenden Blumen (psychische Nahrung: „Das Auge isst mit“) und im Inneren des Gartens öffnet sich ein Freiraum für „das Kraut des Feldes“, dass dem Menschen zur (physischen) Nahrung dient…

 

 

„…sei verflucht der Acker um deinetwillen, in Beschwer sollst du von ihm essen alle Tage deines Lebens“ – keine angenehmen Voraussetzungen für ein HausgärtnerInnendasein, doch eine weitere „Entflechtung“ der Heerschar der Unkräuter  bietet hilfreiche Lösungsansätze. So locken zwischen Kohl ausgesäte Kornblumen Schwebfliegen herbei, die wiederum die Raupen des Kohlweißlings schädigen, während Rainkohl, Rote Taubnessel und Vogelmiere Auskunft zur Bodengüte erteilen („Zeigerpflanzen")…

 

Überhaupt, der Boden: Ein ganz besonderer Ort, hier treffen Mikroorganismen, Tiere, Pflanzen aufeinander und lassen in einem gemeinsamen Wechselspiel das entstehen, wovon der Mensch letztlich lebt, die Bodenkrume. In Achtung davor sollte ihr eine vertiefende Aufmerksamkeit zugewandt werden. Sind es doch unsere Essgewohnheiten, die uns Wurzel, Knolle, Zwiebel und Blatt ernten und somit eine Pflanze nicht ihren Lebenszyklus beenden lassen (Blüten- und Samenausbildung), eine „Erfahrung“, die unweigerlich auch die Bodenkrume der Gemüsebeete zunächst ertragen und schließlich durchstehen muss. Angemessen erscheint es daher schon, vereinzelt Stauden auf den Gemüsebeeten zu dulden. Ein weiteres wäre das Einfügen von Gründüngung in den Ablauf der jährlichen Fruchtfolge, denn infolge der Gemüseernte gibt es in der Regel nichts Pflanzliches, was auf den Beeten den Stauden gleich überwintert und auf das kommende Jahr vorbereitet…

 

 

Mit „Entflechtung“ allein ist es offensichtlich nicht getan. Dort, wo sie auftritt, bricht sich gleichzeitig eine neue, bis dahin noch nicht dagewesene Komplexität (im Sinne von Nikolai Fuchs) ihre Bahn, die Ursprünglichkeit löst eine farbenfrohe Vielfalt ab (es wird bunter) und Mischkultur (als eine denkbare Ausgestaltung von Fruchtfolge) füllen angestrebte Freiräume aus; machbar nur bei einem ständig neu austariertem Miteinander – anmaßende Ungeduld (Anthropozentrismus) ist ein schlechter Ratgeber, wie bereits der Prophet Jeschajaha zu berichten wusste: „… denn Dorn und Distel wird all das Land sein, und alle Bergäcker, die man mit der Jätehacke behackt. Du kommst nicht dorthin aus Furcht vor Dorn und Distel, zum Schickplatz für Ochsen wird’s und zum Trittplatz für Schmalvieh“ – ein Garten ist einfach viel zu anmutig, um ihn leichtfertig aufs Spiel zu setzen, also ihn in Demut genießen…